10.01.2019
Trotz der derzeitigen Unsicherheit um den Austrittstermin am 29. März 2019 bedarf es für alle Unternehmen, die im geschäftlichen Austausch mit Kunden/Unternehmen in Großbritannien stehen, sich mit den notwendigen Aufgaben in den eingesetzten Unternehmenslösungen, wie z.B. Microsoft Dynamics NAV / Dynamics 365 Business Central, auseinanderzusetzen. Mit dem Zeitpunkt des tatsächlichen Austritts Großbritanniens aus der EU gehört das Land nicht mehr zum Gemeinschaftsgebiet der Europäischen Union. Dies macht grundlegende Änderungen für Unternehmen erforderlich, deren Fokus auf Warenlieferungen und Dienstleistungsverkehr aus und nach Großbritannien liegt. Grund dafür sind die Mehrwertsteuer-Systemrichtlinie und weitere EU-Richtlinien, die keine Geltung mehr entfalten können.
Zu beachten ist, dass die Rechtsvorschriften für Drittstaaten grundsätzlich ab dem Tag des Austritts gelten.
Der Austritt Großbritanniens aus der EU hat aus umsatzsteuerlicher Sicht im Wesentlichen folgende Auswirkungen:
Warenlieferungen nach Großbritannien
Grundsätzlich handelt es sich bei Warenlieferungen ab dem Zeitpunkt des Austritts nicht mehr um innergemeinschaftliche Lieferungen, sondern um Ausfuhrlieferungen in das Drittlandsgebiet. Maßgebend ist hierbei der Zeitpunkt des Beginns der Beförderung bzw. Versendung. Der Zeitpunkt der (späteren) Rechnungsstellung ist irrelevant. Dies bedeutet, dass Warenlieferungen, die beispielsweise noch vor dem Zeitpunkt des Austritts beginnen und bei denen die Gegenstände der Lieferungen erst nach dem Austritt an den Empfänger gelangen, noch als innergemeinschaftliche Lieferungen klassifiziert werden.
Wareneinkäufe in Großbritannien
Bei Warenbewegungen aus Großbritannien nach Deutschland nach dem Zeitpunkt des Austritts handelt es sich nicht länger um innergemeinschaftliche Erwerbe, sondern um Importe, für die – vorbehaltlich etwaiger Befreiungen und Vereinfachungen – grundsätzlich Zoll und Einfuhrumsatzsteuer anfallen. Warenlieferungen, die vor dem Austritt Großbritanniens aus der EU beginnen, gelten im Bestimmungsland noch als innergemeinschaftliche Erwerbe (vgl. Punkt 1).
Unternehmensinterne Warenbewegungen von und nach Großbritannien
Warentransporte von einem Unternehmensteil derselben rechtlichen Einheit aus Großbritannien zu einem anderen Unternehmensteil in Deutschland und umgekehrt sind nicht länger als innergemeinschaftliches Verbringen zu qualifizieren und künftig unter Beachtung der zugrunde liegenden zollrechtlichen Vorschriften zu behandeln bzw. zu deklarieren.
Dienstleistungen
Für Dienstleistungen an in Großbritannien ansässige Unternehmen muss der Nachweis der Unternehmereigenschaft künftig mittels „anderer“ Nachweise und nicht mehr auf Basis der Umsatzsteuer-Identifikationsnummer erbracht werden. Andere Nachweise sind z. B. eine Bestätigung der britischen Finanzbehörden (HMRC), dass die umsatzsteuerliche Unternehmereigenschaft gegeben ist.
Vorsteuervergütungsverfahren
Mit dem Tag des Austritts Großbritanniens aus der EU sind auch für die Anwendung des Vorsteuervergütungsverfahrens die Rechtsvorschriften für Drittstaaten einschlägig. Dies führt unter anderem dazu, dass sich die Antragsfrist auf 6 Monate (30. Juni des Folgejahres) verkürzen würde und nicht mehr die 9-Monats-Frist für in der EU ansässige Unternehmen maßgebend wäre.
Zollrechtliche Auswirkungen
Grundsätzlich gilt, dass die direkte Geltung des europäischen Zollkodexes (bzw. ab dem 1. Mai 2016 des Unionszollkodexes) ab dem Tag des Austritts entfällt. Sofern für die gelieferten Waren Zoll anfällt, ist zu prüfen, ob sich dieser Aufwand durch entsprechende Bewilligungen, Nutzung von Zolllagern und/oder geänderte Tarifierungen reduzieren lässt. Da der Zollaufwand nicht (wie beispielsweise die Vorsteuer) abzugsfähig ist, besteht für betroffene Unternehmen dringender Handlungsbedarf. Anderenfalls müsste der zusätzliche Aufwand in der Preisgestaltung berücksichtigt werden.
Sonstige Deklarationspflichten
Warenlieferungen nach Großbritannien und Dienstleistungen an in Großbritannien ansässige Unternehmen sind nicht länger in der Zusammenfassenden Meldung zu erklären. Ebenso sind für Warenlieferungen bei Überschreiten der jeweiligen Meldeschwellen keine Intrastat-Meldungen abzugeben.
Dieser Artikel ist keine Rechtsberatung und kann diesen auch nicht ersetzen.
Bei weiteren Fragen wenden Sie sich an unser Experten-Team: